EuGH – Bis zur völligen Erschöpfung – Der abgeschlossene Fall UsedSoft (2024)

EuGH, Urteil vom 03.März 2012 – C-128/11 –Erschöpfung bei Gebrauchtsoftware

Nach dem Urteil des EuGH zum Fall Used-Soft istdas Recht auf die Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms dann erschöpft, wenn der Inhaber des Urheberrechts, welcher dem möglicherweise auch gebührenfreien Herunterladen dieser Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, gegen Zahlung eines Entgelts, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, auch ein Recht, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen, eingeräumt hat.

Der Käufer der gebrauchten Software(-Lizenz), also der zweite und jeder weitere Erwerber einer Nutzungslizenz kann sich auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechtsberufen und ist somit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie als rechtmäßiger Erwerber einer Programmkopie anzusehen. Er und jeder weitere Erwerber, darf vom Vervielfältigungsrecht nach dieser Vorschrift Gebrauch machen, wenn der Weiterverkauf dieser Lizenz mit dem Weiterverkauf einer von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist, und die Lizenz dem Ersterwerber ursprünglich vom Rechtsinhaber ohne zeitliche Begrenzung und gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wurden, das es diesem ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.

Sachverhalt

Die mittlerweile insolvente FirmaHHS usedSoft GmbH (im Folgenden nur UsedSoft, Red.) wurde von Oracle wegen des Verkaufs von erworbenen und gebrauchten Software-Lizenzen an Dritte verklagt. Das Geschäftsmodell der Firma UsedSoft bestand darin, von Unternehmen überzählige und nicht mehr benötigte Software-Lizenzen aufzukaufen und an Dritte weiterzuverkaufen. Als Besonderheit wurden nicht die zugrundeliegenden Datenträger, in der Regel DVDs verkauft, sondern nur sogenannte Software-Schlüssel. Es handelte sich also um Download-Software. Die Software selbst konnten sich Kunden dann vom Server des jeweiligen Herstellers herunterladen und dies mit dem Software-Schlüssel authentifizieren.

Um sicherzustellen, daß der Verkäufer der Software diese nicht einfach weiter benutzt und die vorhanden Programm-Kopien auch von seinem Rechner löscht, bot UsedSoft ein Notarzertifikat an, welches bestätigen sollte, daß der Verkäufer selbst Lizenzinhaber war und diese nicht mehr nutzt und selbst den Kaufpreis vollständig bezahlt hat.

Im Jahr 2007 klagte Oracle gegen UsedSoft vor dem LG München und und verlangte im Wege der Unterlassung den Handel mit den gebrauchten Lizenzen.

Sowohl →LG als auch das →OLG Münchenentschieden beide jeweils zu Gunsten von Oracle, sodaß der Fall dann an den BGH ging, welcher den Fall wiederum seinerseits dem EuGH zur Entscheidung vorlegte.

Das Argument der Vorinstanzen war, das UsedSoft keine Vervielfältigungsstücke, also körperliche Gegenstände, vertreibt, was zu einer Erschöpfung führe, auf welche der Erschöpfungsgrundsatz Anwendung finden könne, sondern nur Lizenzschlüssel, also unkörperliche Lizenz-Rechte. Auf diese sei der Erschöpfungsgrundsatz aber nicht anwendbar.

Das sah der EuGH nun anders.

Nach der oben skizzierten Darstellung des Leitsatzes der Entscheidung istder Weiterverkauf von Software-Lizenzen grundsätzlich zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Das Computerprogramm wurde mit dem Willen des Rechteinhabers, hier in der Regel des Herstellers, innerhalb des EWR in den Verkehr gebracht.
  2. Der ursprüngliche Rechteinhaber, hier also der Hersteller, hat eine dauerhafte, das heißt zeitlich unbefristete, Lizenz eingeräumt.
  3. Der Rechteinhaber, hier also in der Regel der Hersteller, hat für die Lizenz eine angemessene Vergütung erhalten.
  4. Der Ersterwerber, welcher die nicht mehr benötigte Lizenz weiterverkauft, hat seine Kopien des Programms unbrauchbar gemacht.

Mit diesen Voraussetzungen im Gepäck ging der Fall dann wieder zurück an den BGH, also sogenannter Fall → UsedSoft II (BGH I ZR 129/08), welcher das Verfahren wieder im Juli 2013 aufnahm und selbst wieder an zurück an das OLG Münchenverwies. Dort fand die Entscheidung „UsedSoft II”dann ihr Ende.

Vorher gab der BGH dem OLG München für den konkreten Fall allerdings noch folgende Hinweise mit auf den Weg, nämlich:

  1. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen liegen bei UsedSoft.
  2. Beim Erschöpfungsgrundsatz handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, weshalb UsedSoft beweisen müsse, daß diese Ausnahme in ihrem Fall auch tatsächlich greife.
  3. Das Notartestat/Notarzertifikat, mit welchem UsedSoft die Echtheit der Lizenz, die vollständige Bezahlung und die Löschung der Software beim Ersterwerber dokumentiert, ist als Beweis bisher für das Gericht nicht ausreichend. Des Weiteren müsse der Ersterwerber der Software sicherstellen, daß die Lizenz auch durch die Nacherwerber nur in dem mit dem Hersteller vereinbarten Umfang genutzt wird.

Der BGH hatte der Firma UsedSoft hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast im Fall UsedSoft II vor dem OLG München somit folgendes aufgegeben:

Danach mußte UsedSoft im Berufungsverfahren vor dem OLG München darlegen und beweisen, daß:

  1. Die Lizenzinhaberinihre Zustimmung zum Download der beworbenen bzw. weiterverkauften Softwarelizenzen gegen Zahlung eines Entgelts erteilt hat (vgl. dazu BGH a.a.O. Rn. 58 ff.),
  2. Die Lizenzinhaberin ihren Erwerbern ein Recht zur zeitlich unbegrenzten Nutzung der jeweiligen Programm-Kopie eingeräumt hat (vgl. dazu BGH a.a.O. Rn. 61),
  3. Die Nutzung von Updates der Software im jeweiligen konkreten Einzelfall von einem zwischen der Lizenzinhaberin und dem ursprünglichen Erwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag umfaßt sind (vgl. dazu BGH a.a.O. Rn. 62),
  4. Der Ersterwerber seine eigene Programm-Kopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar macht und auf seinem Server keine Vervielfältigung als Kopie des Programmes mehr erhalten bleibt (vgl. dazu BGH a.a.O. Rn. 63 – 65), sodaß eine unzulässige Aufspaltung der Lizenzen ausgeschlossen ist, und
  5. Im jeweiligen konkreten Einzelfall sichergestellt ist, daß der Dritterweber bzw. Nacherwerber, also der Kunde von UsedSoft, die Programm-Kopie nur in einem vom Verkäufer bzw. Hersteller dem Ersterwerber vertraglich gestatteten, also bestimmungsgemäßen, Umfang nutzt (vgl. dazu BGH a.a.O. Rn. 68).

Der Fall ist nicht zugunsten von UsedSoft entschieden worden, weil die mittlerweile insolvente Firma HHS usedSoft GmbH (s.o.) die Berufung zurückgenommen und die von Oracle geforderte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Nach → Auskunft (weiteres dazu auf der Seite Telemedicus, Red.)der usedSoft Deutschland GmbH führt diese die Geschäfte der insolventen HHS usedSoft GmbH →nach Auskunft des Geschäftsführers, jedenfalls in Teilen fort. Der Insolvenzverwalter der HHS usedSoft GmbH ist demnach aus prozeßökonomischen und vermutet damit wohl aus Kostengründen, seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen (Stand der Information laut → Telemedicus: 20.04.2015).

Der Beschluß des OLG München vom02.03.2015 – 6 U 2759/07 – nach Rücknahme der Berufung findet sich →hier…

Stellungnahme

Damit liegt trotz einer Entscheidung des EuGH zu den Voraussetzungen der Erschöpfung bei Weiterverkauf von gebrauchter Software keine höchstrichterliche Entscheidung des BGH vor, was mißlich ist und irgendwann wieder für neuen Streit sorgen dürfte. Denn allein aus den vom BGH aufgestellten Voraussetzungen an die Darlegungs- und Beweislast sowohl der Rechtekette, als auch des Nachweises des vom Erstverkäufer und damit vom Hersteller eingeräumten bestimmungsgemäßen Umfanges der Nutzung der Software-Lizenz nebst des Nachweises dieser Voraussetzungen über ein Notartestat/Notarzertifikat, ist nicht zu ersehen wie konkreter Vortrag auszusehen hätte. Unternehmen, welche im Bereich des Verkaufs von gebrauchter Software werbend tätig sind, werden daher gehalten sein, ihre AGB sowie Vertragsverhältnisse so konkret wie möglich zu fassen und alles in Bezug auf die Darlegung der Rechtekette sowie des dem Ersterwerber eingeräumten Umfanges des Nutzungsrechtes genauestens zu dokumentieren.

Volltext – EuGH, Urteil vom 03.März 2012 – C-128/11

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